Mit Hilfe von Seitengängen zum Geraderichten

Seitengänge

Wie Seitengänge helfen können, dein Pferd geradezurichten.

Ohne Frage: Seitengänge zu reiten macht wirklich großen Spaß! Jedoch sollten sie auf keinen Fall nur dem Selbstzweck in der Pferdeausbildung dienen, sondern sind ein effektives Hilfsmittel, um den Vierbeiner geradezurichten.

Die natürliche Schiefe

Jedes Pferd ist von Natur aus schief. Hierfür verantwortlich ist die ist die sogenannte: natürliche Schiefe. Man geht davon aus, dass die natürliche Schiefe des Pferdes damit zusammenhängt, wie es im Mutterleib gelegen hat. Jedes Pferd hat also eine hohle Seite und eine steife Seite. Dementsprechend kann es eine Körperhälfte besser dehnen als die andere. Außerdem läuft jedes unausgebildete Pferd von Natur aus schief und belastet seine vier Beine ungleichmäßig. Auf der hohlen Seite wird es immer stärker auf die äußere Schulter fallen. Das Hinterbein der hohlen Seite wird sich zwar besser beugen, jedoch weniger stark sein. Auf der steifen Seite wird es ihm hingegen schwerer fallen sich zu biegen. Das Hinterbein auf der steifen Seite ist immer stärker, aber weniger beugsam.

Mit Sinn und Verstand

Ziel jedes Reiters sollte es sein, mit Hilfe der Seitengänge, sein Pferd mit der Zeit geradezurichten. Seitengänge nehmen auf der hohlen Seite das Gewicht von der äußeren Schulter, bringen die innere Schulter zum Arbeiten und kräftigen das innere Hinterbein. Auf der steifen Seite dehnen sie die Muskeln der äußeren Oberlinie und machen das innere, starke Hinterbein beweglicher. Hat dein Pferd alle Seitengänge gelernt, solltest du sie nicht immer ohne Sinn und Verstand durcharbeiten, sondern gezielt einsetzen. Finde die passenden Seitengänge die dein Pferd braucht, um die natürliche Schiefe auszugleichen. Endziel sollte es sein, dass dein Vierbeiner sich auf beiden Händen gleichmäßig stellen und biegen kann, sowie in der Spur und im Gleichgewicht läuft. Das kann durchaus einige Jahre dauern und es macht Sinn schon bei jungen Pferden rechtzeitig damit zu beginnen.

Die korrekte Ausführung der Seitengänge

Seitengänge können nur helfen dein Pferd geradezurichten, wenn es sie auch korrekt ausführt. Sie sollten stets ruhig, gleichmäßig und flüssig sein. Eilt dein Pferd durch den Seitengang hindurch, oder ist zögernd und verliert den Takt, fehlt es ihm in der Regel noch an Balance und Kraft. Erarbeite dir die Seitengänge mit deinem Pferd in kurzen Reprisen und mit vielen Wiederholungen, um es nicht zu überfordern. Achtung: Viele Reiter verfallen in einen regelrechten „Seitengangrausch“! Entlasse dein Pferd immer wieder auf die gerade Linie und baue genügend Pausen ein, damit es sich entspannen kann. Es ist nicht zu unterschätzen wie anstrengend Seitengänge gerade in der Lernphase für den Vierbeiner sind!

Erst am Boden

Idealerweise erarbeitest du mit deinem Pferd die Seitengänge erst am Boden. Hierfür eignet sich ein gut passender Kappzaum, aber auch mit Trense und Gebiss ist die Arbeit an der Hand möglich. Am Boden hast du den Vorteil, dein Pferd besser im Ganzen beobachten zu können. Gerade was die Schiefe und das Geraderichten betrifft, solltest du dein Pferd ganz genau im Blick haben, um kleine Veränderungen sofort zu bemerken. Außerdem wird ihm alles, was es vom Boden aus ohne Reitergewicht gelernt hat, später unter dem Sattel leichter fallen.

Blickschulung

Um dein Pferd mit Hilfe von Seitengängen geradezurichten, solltest du auf jeden Fall deinen Blick gut schulen, um zu erkennen, ob es die Seitengänge korrekt ausführt. Hilfreich kann hier gute Literatur sein, aber geübte Reiter und ihre Vierbeiner zu beobachten ist eine gute Ergänzung. Wer die Möglichkeit hat, mit ausgebildeten Lehrpferden die Seitengänge zu üben, sollte dies unbedingt nutzen. Nur wer absolut sicher in den Seitengängen ist, sollte sein Pferd selbst in dieses Thema einführen. Ansonsten ist es zu empfehlen Hilfe bei einem/r kompetenten Trainer/in zu suchen. Lasse ihn/sie auch regelmäßig über eure Seitengänge schauen, denn schnell können sich kleine Fehler einschleichen.

Echte Seitengänge

Ganz grob kann man Seitengänge in „echte und unechte“ einteilen. Zu den echten Seitengängen gehören: Schulterherein, Konterschulterherein, Travers (Kruppeherein), Renvers (Kruppeheraus) und Traversalen. Hierbei ist das Pferd immer gestellt und gebogen, bewegt sich auf drei oder vier Hufspuren in einer Vorwärts- Seitwärtsbewegung und ein Hinterbein tritt immer unter den Körperschwerpunkt. Sie werden entweder „in Bewegungsrichtung gebogen“ (Renvers, Travers, Traversalen) oder „gegen die Bewegungsrichtung gebogen“ (Schulterherein, Konterschulterherein) ausgeführt. Echte Seitengänge wirken lösend, gymnastizierend und versammelnd. Von oben betrachtet ist die Form des Pferdes in Stellung und Biegung immer gleich, nur ihre Ausrichtung zur Bande und zum inneren der Bahn ist unterschiedlich.

Unechte Seitengänge

Hierzu gehört das seitliche Übertreten auf der Volte, Schenkelweichen und Viereck verkleinern und vergrößern. Dabei ist dein Pferd immer entgegen der Bewegungsrichtung gestellt. Eine Biegung im Körper wird nicht verlangt. Das Pferd bewegt sich vorwärts- seitwärts in einem Abstellungswinkel von 45Grad. Jedes Bein hat dabei seine eigene Hufspur. Es kreuzen nur die inneren Beine oder treten, ohne sich zu beugen, am Schwerpunkt vorbei. Trotzdem haben die unechten Seitengänge eine überaus lösende Wirkung auf den gesamten Pferdekörper und selbst kleine Blockaden können gelockert werden.

Die Gesunderhaltung des Pferdes

Das Geraderichten ist, gemeinsam mit der Versammlung, entscheidend um dein Pferd möglichst lange gesund zu erhalten. Es schützt vor Überlastungserscheinungen einzelner Beine und beugt orthopädische Probleme vor. Ein Pferd was korrekt in den Seitengängen ausgebildet wurde, hat die besten Voraussetzungen seine Aufgabe als Reitpferd ein Leben lang gut erfüllen zu können. Das große Ziel der klassischen Dressur ist die Versammlung, also die Fähigkeit des Pferdes, seine Hanken (die drei großen Gelenke der Hinterhand: Hüfte, Knie- und Sprunggelenk) immer mehr zu beugen. In der Vorwärts-Seitwärts-Bewegung der Seitengänge müssen genau diese drei großen Gelenke stärker gebeugt werden. Hat dein Pferd gelernt, die Seitengänge korrekt auszuführen, wird es mit dem inneren Hinterbein vermehrt unter seinen Schwerpunkt treten und sich somit mehr versammeln können. Mit Hilfe der Seitengänge wird also auch die Lastaufnahme der Hinterhand verbessert. Es wird deinem Pferd immer leichter fallen das Reitergewicht mehr auf der Hinterhand zu tragen und die Vorhand zu entlasten. Außerdem wird sich die Balance, Geschmeidigkeit und Durchlässigkeit deines Vierbeiners nach und nach verbessern.

Blog-Beitrag von Andrea Blochwitz
Foto von
 Elena Hofstede (tierfotografie-eh.de)

 
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