Rückwärtsrichten – so geht es richtig!

Richtig Rückwärtsrichten: so erarbeitest du es dir.

Gewölbter Rücken, schöne Zügelverbindung, deutlich angehobene Füße und klarer Zweitakt: So würde ein gutes Rückwärtsrichten aus dem Lehrbuch aussehen. Doch der Rückwärtsgang ist bei vielen Pferden gar nicht so einfach. Manche verlieren den Zweitakt und die diagonale Fußfolge, andere drücken den Rücken weg, weichen seitlich aus, hebeln den Kopf heraus oder rollen sich ein.

Nun können Pferde von Natur aus rückwärts gehen, tun das im Herdenumfeld aber nur über wenige Schritte und drehen sich dann meist heraus, um wieder vorwärts zu gehen. Warum verlangen wir also das Rückwärtsrichten?

  • Rückwärts richten gymnastiziert: Das Pferd wölbt den Rücken bzw. die Lendenwirbelsäule auf, senkt die Kruppe und winkelt die Hinterhand an. Damit können Hankenbeugung und Versammlung gefördert werden. Die Hinterhand- und die Bauchmuskulatur werden trainiert, die Flexibilität verbessert.
  • Rückwärts richten fördert außerdem die Koordination des Pferdes und ist eine gute Möglichkeit, um seine Durchlässigkeit zu verbessern, aber auch zu überprüfen: Wie gut reagiert es auf das Zusammenspiel der Hilfen? Geht es flüssig und geschmeidig rückwärts oder spannt es irgendwo im Körper gegen und versucht sich zu entziehen?
  • Rückwärts richten ist gut für den Geist. Für die koordinierte, eher unnatürliche Bewegung muss das Pferd sich deutlich stärker konzentrieren. Pferde, die sich leicht ablenken lassen, kann man mit Rückwärts wieder mental zum Reiter zurückholen.
  • Der Rückwärtsgang ist auch einfach praktisch, sei es, um ein Tor zu öffnen oder um das Pferd vom Boden um etwas Abstand zu bitten.

Die Voraussetzungen fürs Rückwärtsrichten

Rückwärts braucht vorwärts. Erst, wenn das Pferd sauber und losgelassen vorwärts geht, beginnt man in der klassischen Reitlehre mit dem Rückwärtsrichten.

Weitere Voraussetzungen: Das Pferd soll gut auf alle Hilfen von Sitz, Schenkel und Zügeln reagieren und konstant in Anlehnung gehen können. Es soll in der Lage sein ruhig und geschlossen zu stehen und damit im Stand gleichmäßig alle Beine belasten. Für den Reiter bedeutet das einen ausbalancierten Sitz und die Fähigkeit, die Hilfen abgestimmt und fein zu dosieren.

Die Hilfen fürs Rückwärtsrichten

Wichtig: Wir ziehen das Pferd nicht mit den Zügeln nach hinten, wir geben vielmehr die Hilfe und warten, dass es sich selbständig  dafür entscheidet. Wenn wir hier mit mehr Druck nachhelfen, wird das Pferd höchstwahrscheinlich eine der oben beschriebenen Vermeidungstaktiken zeigen.

Die klassische Hilfengebung ähnelt dem Anreiten:
Das Pferd steht geschlossen, der Reiter sitzt gerade und gleichmäßig auf beiden Sitzbeinhöckern. Die Schenkel liegen verwahrend eine Gurtbreite hinter dem Gurt und treiben beidseitig. Mit dem anstehenden Zügel – die Hände werden nebeneinander eine Handbreit über dem Widerrist gehalten – wird der Vorwärtsimpuls aufgefangen. Auch ein Stimmkommando kann sinnvoll sein, damit das Pferd leichter zwischen vorwärts und rückwärts unterschieden kann. Sobald das Pferd nach hinten denkt, zum Beispiel sein Gewicht verlagert, werden die Zügel etwas, aber nicht vollständig nachgegeben. Sitz- und Beinhilfen bleiben dran, bis der erste Schritt erfolgt. Dann gibt es eine Pause.

Beim fortgeschrittenen Rückwärts sorgt ein Mehr an Schenkelhilfe für mehr Tempo, nicht der Zug am Zügel.
Wichtig ist, dass du jeden Schritt bewusst reitest und dir davor überlegst, wie viele Schritte du haben willst. So behältst du die Kontrolle über das Ende der Übung und verhinderst, dass dein Pferd hektisch wird oder versucht, sich durch das Rückwärts zu entziehen. Du beendest das Rückwärtsrichten, indem du deine Hilfen einstellst oder das Pferd nach vorn reitest und damit die annehmende Zügelhilfe einstellst.
Denke daran, die Hilfen gut zu dosieren und aufeinander abzustimmen. Höre auf das, was dein Pferd dir kommuniziert.

Probleme beim Rückwärtsrichten

  • Das Pferd dreht den Hintern raus und geht nicht gerade rückwärts. Das kann mehrere Ursachen haben: Vielleicht sitzt du nicht gerade und belastest ein Gesäß mehr oder du gibst die Hilfen nicht gleichmäßig auf beiden Seiten. Möglicherweise ist dein Pferd aber auch auf einer Seite steifer als auf der anderen. Es will sich nicht setzen bzw. untertreten und weicht deswegen aus.
    Im ersten Fall hilft eine präzise Hilfengebung, im zweiten eine gute Gymnastizierung des Pferdes zum Beispiel mit Seitengängen und Tempowechseln, um es geschmeidiger und balancierter zu machen. Den ausweichenden Hintern kannst du mit einem gleichseitigen Schenkel wieder einfangen.
  • Das Pferd rollt sich ein oder reißt den Kopf hoch. Beides weist auf eine zu deutliche Zügeleinwirkung hin – die Hand ist möglicherweise zu hart oder zu schnell.
  • Dein Pferd steht und bewegt sich gar nicht mehr. Hier kannst du mit unterschiedlichen Zügelpositionen und etwas Vibration am Zügel experimentieren. Oder du löst die Starre auf, indem zu zum Beispiel einen Schritt zur Seite erfragst. So bringst du wieder Bewegung ins Pferd.
  • Dein Pferd entzieht sich ins Rückwärts und tritt schnell und hektisch zurück. Eventuell hast du zu schnell zu viel verlangt. Dein Pferd muss sich an die neue Anforderung erst gewöhnen und auch die Strukturen im Körper brauchen Zeit. Frage also lieber nach wenig guten Schritten als nach vielen schlechten. Steuere die Bewegung ins Seitliche um, wenn dein Pferd zu stark rückwärts denkt und geht, um das Muster aufzubrechen und schule es dann in Lektionen, die den Gehorsam auf deine Hilfen verbessern.
  • Dein Pferd tritt mit breiten Hinterbeinen zurück. So vermeidet es die Lastaufnahme und Hankenbeugung. Hier kann es an Balance fehlen. Sie kannst du mit anderen Lektionen wie Kreisbögen und Schlangenlinien oder Seitengängen verbessern.


Blog-Beitrag von Nadja Müller

 
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