
Alte Pferde können mit passendem Training noch lange fit bleiben.
Old, but gold. Oder so ähnlich. Ehe wir uns versehen, ist unser Pferd „alt“: Es hat die ersten grauen Haare, bewegt sich steifer, ist nicht mehr so mobil wie früher und braucht länger, bis es warm wird. Es verliert seine Geschicklichkeit und Trittsicherheit, wird vielleicht etwas fauler. Wehwehchen stellen sich ein – und die ersten altersbedingten Diagnosen wie Arthrose kommen.
Was bedeutet das nun? Pferd unreitbar, in Rente schicken, wegstellen? Mitnichten. Nur, weil das Pferd älter wir – so wie wir übrigens auch – heißt das nicht, dass es nicht mehr arbeiten kann (und will). Aber wir müssen unser Programm nun besonders an seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten ausrichten und genau hinsehen und spüren, wann wir es überfordern. Die Hochleistungszeit ist vorbei, jetzt geht es darum, die Beweglichkeit und die Muskelmasse des älteren Pferdes zu erhalten.
Seniorengymnastik beim Pferd ist dabei genauso vielfältig wie das Training eines Jungpferdes – nur eben mit anderem Fokus.
Das Aufwärmen des alten Pferdes
Egal, was du mit deinem Senior-Pferd planst, es ist elementar, dass du es gut aufwärmst. 20 Minuten dürfen es also schon sein. Ältere Pferde brauchen mehr Zeit, um in Gang zu kommen, bis Muskeln, Sehnen und Bänder geschmeidig werden und sich die Gelenkschmiere verteilt. Ohne Aufwärmprogramm hast du ein steifes Pferd, das sich schwer tut – und du erhöhst das Verletzungsrisiko.
Aufwärmen geht stets im Schritt und am besten vom Boden, damit du dein Pferd nicht direkt mit dem Reitergewicht belastest. Achte auf ein fleißiges Tempo. Gute Aufwärmübungen sind Schenkelweichen bzw. seitliches Übertreten lassen oder Seitengänge wie Schulterherein.
Spazieren gehen mit dem alten Pferd
Vielleicht siehst du andere Reiter mit ihren älteren Pferden im Umfeld deines Stalles spazieren gehen – und jetzt seid ihr auch Teil dieser Bewegung. Denn spazieren gehen ist eine optimale Beschäftigung fürs alte Pferd. Leichte, konstante Bewegung, ab und an mal einen Happen Gras und wenn ihr mögt, könnt ihr Trainingselemente einbauen und die Schwierigkeit steigern: Wechsel des Tempos innerhalb der Gangart, Gangartwechsel – ja, jetzt musst du joggen –, Slalom um Bäume und Büsche, in Gräben steigen und wieder hinauf klettern. Wählst du eine Strecke mit unterschiedlichen Böden – Asphalt, Schotter, Gras und Sand – tust du sogar noch etwas für die Sensomotorik deines Senior-Pferdes. So hältst du den Körper und den Geist fit.
Bodenarbeit für alte Pferde
Wie gut, dass es Bodenarbeit gibt. Zeigt dein Pferd im Alter Probleme am Bewegungsapparat oder dem Rücken, kannst du es mit Bodenarbeit gymnastizieren ohne dass es dich tragen muss.
Am Kappzaum kannst du dein Pferd mit Seitengängen wie Schulterherein, Kruppeherein sowie dem Übertreten lassen bzw. Schenkelweichen beweglich halten und die Koordination fördern.
Fokussiere dich dabei in erster Linie auf den Schritt und experimentiere mit verschiedenen Kopfpositionen. Das mobilisiert sanft. Frage nach Schritt-Halt-Schritt-Übergängen, um die Bauchmuskulatur anzusprechen.
Du kannst auch Gewichtsverlagerungen im Stand nach vorn und hinten und sogar seitlich auf einzelne Beine abfragen, was die Koordination deines Seniors fordert, eure Kommunikation und seine Tiefenmuskulatur anspricht.
Der Anspruch richtet sich stets nach den körperlichen Möglichkeiten deines älteren Pferdes: Ist es noch fit, steht auch Übungen im Trab, Rückwärtsrichten und versammelnde Lektionen nichts im Wege.
Doppellongenarbeit für Pferde-Senioren
Hast du dein Pferd an der Doppellonge ausgebildet, hast du jetzt ein tolles Tool, um es auch im Alter weiter fit zu halten. Die Doppellongenarbeit ist schonend für dein älteres Pferd und trotzdem kannst du es damit biegen, stellen, dehnen und versammeln. Fast wie reiten, nur eben von unten.
Alte Pferde longieren – auf großen Linien
Dein Pferde-Senior darf auch noch an die Longe – gutes Longieren hält fit und geschmeidig. Widme dich hier zum Beispiel den Übergängen und Tempounterschieden und vergiss die Handwechsel nicht. Allerdings gibt es Einschränkungen: Volten sind fast immer tabu, sie würden die Gelenke zu sehr belasten. Nutze also den gesamten Platz zum Longieren, lasse dein Pferd auf großen gebogenen Linien gehen und laufe mit, so dass immer wieder auch gerade Strecken integriert werden.
Stangentraining für Pferde-Oldies
Auch Stangen kannst du nach wie vor im Training mit deinem älteren Pferd nutzen – es muss ja keine Springgymnastik sein. Stangen erinnern es daran, die Beine zu heben, mobilisieren die Hinterhand und stärken den Rücken. Sie geben einen Bewegungsrhythmus vor, der deinen Senior fordert, entspannt und gesund erhält.
Reiten und Ausreiten mit dem Pferde-Senior
Ist dein altes Pferd noch reitbar, kannst du lockere Dressureinheiten planen, die auf Losgelassenheit und Durchlässigkeit abzielen. Perfekt für Senior-Pferde ist zum Beispiel eine Acht – also zwei Zirkel mit Richtungs-, Stellungs- und Biegungswechsel in der Mitte. Damit dehnst du beide Körperseiten gleichmäßig und mobilisierst die Schultern. Lass‘ deinem Pferd hier ruhig die Zügel so lang, dass es eine für es angenehme Kopf- und Halshaltung einnehmen kann.
Zirkel verkleinern und vergrößern: Auch diese Lektion bietet sich für fitte Senior-Pferde an. Du arbeitest an Beweglichkeit, Koordination und Durchlässigkeit. Starte auf einem großen Zirkel und lass ihn über das Begrenzen der äußeren Hilfen und dem aktiven nach innen Führen langsam kleiner werden. Danach vergrößerst du ihn wieder, indem du das Pferd nach außen führst – achte darauf, dass der kleinste Zirkel nicht zu klein wird, um die Belastung deines Pferdes nicht zu übertreiben. Dein Pferd sollte sich in der Biegung dehnen, fleißig und entspannt vorwärtsgehen.
Natürlich kannst du mit dem Senior noch ausreiten gehen – im Wald und auf dem Feld die Seele baumeln lassen oder einen ungezwungenen Galopp über den Grasweg wagen.
Don’ts im Training des alten Pferdes:
- Galopp belastet Sehnen und Bänder – beim alten Pferd fällt das noch mehr ins Gewicht. Galoppiere also mit Maß.
- Versammlung hält dein Pferd fit, belastet aber auch. Auch hier gilt es, die Balance zu halten, dein Pferd zu fordern, ohne es zu überfordern.
- Übergänge, die eine Gangart überspringen – Halt zu Trab, Schritt zu Galopp und andersherum – kräftigen dein Pferd, sind im Alter aber noch anspruchsvoller und belastender.
- Enge Wendungen sollten der Vergangenheit angehören.
- Hat dein Pferd Arthrose in der Hinterhand, solltest du auch kein Rückwärts mehr verlangen.
- Übertreibe es nicht mit der Länge der Einheiten und orientiere dich stets am Pferd.
Blog-Beitrag von Nadja Müller