Die Anlehnung – Teil 1

Was genau ist eigentlich Anlehnung?

Alle wollen sie, aber wie so oft beim Reiten ist nicht so ganz klar, was eigentlich genau gemeint ist: Die Rede ist von der Anlehnung. Die FN definiert sie in ihren Richtlinien als „stete, weich federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul“.

Die Anlehnung soll dem Pferd einen Rahmen vorgeben, um es gesunderhaltend zu trainieren. Sie hilft dabei, gemeinsam das Gleichgewicht zu finden. Als Voraussetzung gilt die sogenannte Dehnungsbereitschaft. Dabei lässt sich das Pferd mental fallen und läuft entspannt vorwärts mit aktivem Hinterbein, gehobenem Rücken und einem offenen Genick. Das Pferd ist damit losgelassen.

Die klassische Reitvorschrift H.Dv.12 der deutschen Kavallerie (1937) führt aus, dass durch die Schubkraft aus der Hinterhand das Pferd an den Zügel herantritt und es so zur Anlehnung kommt. Wenn ein Pferd das Becken kippt, mit den Hinterbeinen unter den Körper schwingt, den Rücken wölbt, den Brustkorb hebt und den Hals dehnt, dann läuft es auf eine Art und Weise, die es ihm erlaubt, einen Reiter zu tragen. Dann erst wird eine korrekte Anlehnung möglich.

Die Beizäumung, die Kopf- und Halshaltung des Pferdes, wenn es am Zügel geht, ist die Folge der korrekten Anlehnung: Das Pferd trägt dann mit gewölbtem Hals sein Genick als höchsten Punkt und die Nase leicht vor der Senkrechten.

So fühlt sich Anlehnung an

Jetzt wissen wir, was Anlehnung ist. Doch wie fühlt sie sich an? Oft liest und hört man, dass sie so zart sein muss wie ein Bindfaden oder dass der Reiter nur noch das Gewicht der Zügel in den Händen trägt. Im Idealfall ist das so. In der Realität wechselt die Anlehnung aber ständig, da sie beim Reiten aus der Kombination der treibenden, durchhaltenden und nachgebenden Hilfen resultiert. Das alles ist eine feine Balance – mal wird das Pferd mit mehr Gegendruck reagieren, vielleicht kommt es auch mal hinter den Zügel. Dein Pferd reagiert auch unterschiedlich auf die verschiedenen Lektionen, die du abfragst und abhängig von der Gangart variieren auch die natürlichen Kopf-Hals-Bewegungen.

Anlehnung ist deswegen in erster Linie flexibel: Deine Hände und Arme folgen der Kopfbewegung des Pferdes und die Zügellänge kann variieren. Anlehnung erreichst du nicht, indem du deine Hände vor dem Körper feststellst und versuchst, sie in dieser Haltung zu fixieren. Um eine reale Anlehnung zu erreichen, brauchen wir einen unabhängigen Sitz und nachgiebige Hände, die der Bewegung folgen können.

Anlehnung wird gern verwechselt mit „das Pferd an den Zügel stellen“. Der Satz ist inhaltlich nicht richtig, denn der Reiter stellt das Pferd nicht aktiv an den Zügel. Er riegelt es nicht herunter oder hält vorn gegen und treibt von hinten dagegen oder fixiert Kopf und Hals in einer starren Position. Anlehnung ergibt sich aus unserer Reaktion auf den Pferdekörper, sie ist immer ein Angebot, das vom Pferd gemacht wird, nichts, was wir aktiv und mit Zwang herbeiführen. Das führt sonst immer zu einer rückwärtswirkenden Reiterhand und dazu, dass das Pferd zwar den Kopf herunternimmt, aber im Rücken hohl bleibt und mit der Hinterhand herausschiebt statt unterzutreten.

Reiten ohne Anlehnung ist möglich

Anlehnung ist nicht gleich Anlehnung. In der Westernreitweise wird zum Beispiel in verschiedenen Disziplinen am losen Zügel geritten – dennoch geht das Pferd in Anlehnung. Auch in den höchsten Lektionen der klassischen Dressur wie der Piaffe, wenn das Pferd in absolute Aufrichtung gelangt und sich selbst trägt, ist dafür kein Zügelkontakt mehr notwendig.

Anlehnung ist aber durchaus sinnvoll. Fehlt sie komplett, weil der Reiter Angst hat zu viel mit den Zügeln einzuwirken, fehlt dem Pferd manchmal die Orientierung, es ist alleingelassen. Es kann passieren, dass es dann auf der Vorhand vor sich hinläuft, während die Hinterhand hinterherzieht, eilige Pferde kommen ins Rennen. Beides ist kein gesunderhaltendes Reiten.

Anlehnung unterstützt das Pferd in der Balance und bietet Führung – ist aber auch kein fünftes Bein, auf das sich das Pferd abstützen kann.

Die gängigen Anlehnungsfehler

Es gibt verschiedene Anlehnungsfehler – die meisten haben ihre Ursache darin, dass der Reiter versucht, die Anlehnung aktiv herbeizuführen, indem er sein Pferd mit den Händen beizäumt.

Hinter der Senkrechten/ Hinter dem Zügel
Hier befindet sich die Stirn-Nasen-Linie des Pferdes hinter der Senkrechten, sprich die Nase zeigt nicht in Bewegungsrichtung, sondern gen Brust. Entweder das Pferd wird aktiv in diese Position gebracht oder es hat die richtige Anlehnung noch nicht gefunden und tritt nicht an das Gebiss heran. Es verkriecht sich hinter dem Zügel und öffnet das Genick nicht.

Auf dem Zügel
Das Pferd lehnt sich auf den Zügel, es stützt sich darauf ab. Der Reiter verspürt viel Zug in der Hand. Die Ursache ist oft eine nicht aktiv untertretende Hinterhand.

Gegen bzw. über dem Zügel
Das Pferd streckt die Nase in die Luft und gibt nicht im Genick nach. Das kann auf körperliche Probleme wie einen festgehaltenen Rücken oder einen verspannten Nacken hindeuten.

 
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