Reittherapie: Ein Pferd hat vier Beine, damit es sein großes Herz tragen kann!

Wenn Pferde Vertrauen schenken - Reittherapie - eine Bereicherung

Wenn Pferde Vertrauen schenken – Reittherapie – eine Bereicherung

Reittherapie: Was passiert wenn eine junge Frau mit Down Syndrom auf ein pubertierendes Pferd trifft?

Vor ca. 2 Jahren als meine Stute noch mitten in der Pubertät war, begleitete mich meine kleine Schwester Jana immer mal wieder in den Reitstall. Ich war verblüfft, wie bemüht und rücksichtsvoll mein Pony auf meine Schwester in allen Situationen, trotz ihrer Unsicherheit, reagierte. Irgendwann fragte Jana mich schließlich, ob sie auch mal reiten dürfe. Ich zögerte bei meiner Antwort…

Mein verrücktes Pony als Therapeut?

Meine Stute hat den Haffi-Charakter ihrer Mutter geerbt: Zu Beginn standen wir vor einigen Problemen, die wir gemeinsam lösen mussten. Zum Beispiel ihre Panikattacken sobald die Stute meiner besten Freundin – ihre Pferde-Ersatzmutti – nicht in Sichtweite war. An den meisten Tagen war ein ruhiges und entspanntes Stehenbleiben lediglich ein schöner Traum – stattdessen tobte meine pubertierende Stute oft durch die Gegend. Das bereitete mir große Sorgen, vor allem wenn andere Leute oder gar Kinder sich in der Nähe meines Pferdes befanden. Dennoch nahm ich meine kleine Schwester, die glückliche Besitzerin eines zusätzlichen Chromosoms ist (Trisomie 21, umgangssprachlich auch „Down-Syndrom“ genannt) öfters mit in den Reitstall und war immer wieder überrascht, wie sanft und umsichtig meine Stute auf sie reagierte.

Reittherapie mit einem pubertierendem Pferd – geht das?

Als meine Schwester mich irgendwann fragte, ob sie auch mal reiten dürfte, zögerte ich zuerst. Schließlich hatte ich damals selbst erst ein paar Mal auf meiner Stute gesessen und die ersten zaghaften Reitversuche waren eine echte Herausforderung. Allerdings konnte ich meiner kleinen Schwester ihren Wunsch nicht abschlagen. Ich bat sie nur darum nicht traurig zu sein, falls meine Stute doch noch nicht die notwendige Geduld dafür hätte. Es war aber einen Versuch wert und so probierten wir drei es einfach mal.

Entspannte Atmosphäre als Unterstützung für mein „Therapiepferd“

An diesem Tag war meine Stute für ihre Verhältnisse generell ruhig und gut drauf. Trotzdem habe ich versucht, es ihr mit einer möglichst entspannten Atmosphäre noch ein wenig leichter zu machen:

  1. Zuerst habe ich die Aufstiegshilfe in der Mitte der Halle platziert und mein geschecktes Pony daneben.
  2. Dann ließ ich den Führstrick auf dem Boden liegen und entfernte mich ein paar Schritte. So wollte ich meiner Stute zeigen: Bitte bleib da stehen, aber du kannst auch jederzeit weggehen falls es dir zu viel werden sollte.
  3. Mir war es sehr wichtig, dass ich mein Pferd NICHT festhalte und ihr so jederzeit den notwendigen Freiraum gebe.

Vertrauen und Sicherheit

Ich hatte befürchtet, dass mein vierbeiniger Wildfang schnell das Weite suchen würde sobald meine kleine Schwester versucht, aufzusteigen. Umso erstaunter und vor allem stolz war ich, als stattdessen Folgendes passierte:

Jana hatte große Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht und brauchte jede Menge Mut, um ihr Bein über den Pferderücken zu legen. Aber sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, gab nicht auf und probierte es immer wieder.

Und dieses verrückte Pony? Sie stand die ganze Zeit an ein und derselben Stelle und hat sich keinen Zentimeter bewegt! Sie ruhte in sich und war völlig entspannt.

Nach 20 Minuten hatten die beiden es schließlich geschafft! Als Team – und ganz alleine ohne mich! Meine Schwester hatte ihre Angst überwunden, da sie meiner Stute vertraute. Und mein Pony gab ihr die notwendige Sicherheit, indem sie sich nicht bewegte, sensibel und rücksichtsvoll war.

An diesem Tag war ich mächtig stolz auf die beiden!

Menschen mit Behinderung und Pferde: Für mich ein ganz besonderes Team

Ich beschäftige mich sehr viel mit dem Thema „Reittherapie“ und suchte für diesen Blog-Eintrag nach ähnlichen Erfahrungen im Netz. Leider vergeblich. Deshalb ist mir dieser Blog-Eintrag sehr wichtig, denn all diese Therapie-Pferde machen eine fabelhafte „Arbeit“. In Momenten wie den ersten Reitversuchen meiner Schwester wird mir immer wieder bewusst, wie viel unsere Pferde wahrnehmen, wie einfühlsam sie sind und was für ein riesengroßes und kostbares Geschenk Pferde für uns Menschen sind. Ich finde, das muss mehr Wert geschätzt werden! Für mich sind Menschen mit Behinderung und Pferde ein ganz besonderes Team.

Mehr Fairness und Hochachtung für Reittherapie – Pferde

Die Pferde sollten dabei allerdings nicht als Mittel zum Zweck gesehen werden. Vor allem sollten wir das Verhalten der Pferde/Therapiepferde gegenüber den Menschen mit Behinderung nicht nur den Besitzern anrechnen, denn es ist nicht nur die Erziehung des Pferdes, sondern vor allem der unglaublich einfühlsame Charakter, die Sensibilität und das große Herz dieser wunderbaren Geschöpfe. Erst dadurch wird solch eine Therapie für uns Menschen überhaupt möglich! Wie heißt es so schön: Ein Pferd hat vier Beine, damit es sein großes Herz tragen kann!

Habt ihr auch so tolle Erfahrungen mit Therapie-Pferden gemacht? Ich freue mich auf eure Geschichten!

Blog-Beitrag von Janja Schleier

 
{ 2 comments… add one }
  • Annika 11. Januar 2019, 20:55

    Oh ja- im Internet findet sich vielleicht auf Anhieb nicht sehr viel dazu. Aber dass Pferde, die „normalerweise“ auch mal etwas unruhiger werden können, auf Menschen mit Behinderung auf Anhieb ganz fabelhaft Acht geben- das ist mir schön häufiger zu Ohren gekommen. Ebenso passen sie auf Kinder wunderbar auf. Ein wenig das Gleichgewicht auf dem Pferderücken im Schritt verloren? Das sensible Pferd bleibt augenblicklich stehen. Sie bringen wahnsinnig deine Antennen mit und haben eine erstaunliche Geduld. Das alles verlangt unseren vierbeinigen Helden aber durchaus einiges an Konzentration ab 😉

    • Hillbury 23. März 2023, 14:44

      Liebe Annika,
      dem stimmen wir absolut zu! Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar 🙂
      Liebe Grüße,
      das Hillbury-Team

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