Eine gute Beziehung zum Pferd: Das sind die Schlüssel

Die Beziehung zwischen Mensch und Pferd – zwei an sich fremde Spezien treffen aufeinander

Doch eine gute Beziehung zwischen Pferd und Mensch ist kein Zufall. Lena zum Beispiel muss auch nach fünf gemeinsamen Jahren mit ihrem Trakehnerwallach immer wieder die gleichen Diskussionen führen: Ja, es wird jetzt ausgeritten und ja, wir reiten von den anderen Pferden weg. Tanja und ihr Norweger Titus sind dagegen irgendwie von Anfang an ein super Team und scheinen sich blind zu verstehen.

Es gibt sie, diese Dreamteams, die passen wie Topf und Deckel. Das bedeutet aber nicht, dass wir alle verzweifelt unserem Seelenpferd hinterherspüren müssen und dass jedes Missverständnis die Pferd-Mensch-Beziehung in Frage stellen muss.

Denn wir Menschen können aktiv jede Menge beitragen und unsere Partnerschaft mit dem Pferd zu einem echten Gewinn für beide Seiten machen. Damit das klappt, brauchen wir fünf Grundpfeiler:

1. Wissen

Es geht einfach nicht ohne. Wer eine enge Beziehung zu seinem Pferd aufbauen will, der sollte wissen, wie sein tierischer Partner tickt und was seine Bedürfnisse sind. Zugegeben, ein weites Feld. Es fängt bei seinem Wesen als Fluchttier an, geht über Haltung und Fütterung, erstreckt sich über die Anatomie und Biomechanik bis hin zum passenden Trainingsansatz. Nur ein glückliches Pferd, dessen Bedürfnisse erfüllt sind, kann dem Menschen ein guter und solider Partner sein. Wenn es seinem Bewegungsdrang und der Befriedigung von Sozialkontakt in eben den zwei Stunden nachkommen muss, die der Mensch es aus seiner Box befreit, dann sind Konflikte programmiert.

Die meisten Probleme entstehen durch das Vermenschlichen des Tieres – das passiert immer dann, wenn der Mensch zu wenig über die Spezies Pferd weiß. Dann werden dem Tier menschliche Verhaltensweisen unterstellt („der verar*** dich doch!“), die es gar nicht in der Lage ist zu leisten. Oder die eigenen Bedürfnisse werden dem Pferd übergestülpt: Im Winter friert man doch, also kriegt auch das Pferd eine Decke auf, obwohl es mit seinem dicken Winterfell perfekt für kalte Temperaturen aufgestellt ist und sich bis minus 10 Grad per se pudelwohl fühlt.

2. Geduld

Ein Spruch in der Reiterszene lautet: „In den Sattel gehören nur zwei Eigenschaften: Geduld und Humor“. Gerade die Geduld ist unendlich wichtig. Pferde sind Fluchttiere. Wenn wir die Geduld verlieren, ärgerlich werden oder das Pferd sogar bestrafen wollen für einen angeblichen Ungehorsam, zerstören wir innerhalb von Sekunden Vertrauen, das sich über Wochen und Monate erst entwickelt hat. Jeder Reiter wird Geschichten erzählen können von Situationen, die eskaliert und schief gegangen sind, weil er sich nicht im Griff hatte. Wer die Geduld verliert im Umgang mit dem Pferd, bereut es im Anschluss – garantiert.
Deswegen: Atmen und warten statt impulsiv zu handeln.

3. Empathie

Die Empathie, das Einfühlungsvermögen, ist eng mit der Geduld verwandt. Denn wer sich in das Pferd und seine Bedürfnisse hineinversetzen kann, bringt in der Regel mehr Geduld und Verständnis auf, wenn eine Lektion nicht auf Anhieb klappt oder das Pferd heute aus welchem Grund auch immer angespannter und „guckiger“ ist als sonst. Empathie bedeutet übrigens nicht Mitleid. Wir müssen also nicht tatenlos zusehen, wenn unser Pferd Probleme hat und mit ihm leiden. Das hilft ihm nämlich nicht. Stattdessen können wir es unterstützen und ihm die richtige Hilfestellung anbieten, weil wir empathisch sind und nachvollziehen können, was es jetzt gerade braucht.

4. Selbstreflexion

Wie war das? „Dein Pferd ist der Spiegel deiner Seele. Manchmal wirst du nicht mögen, was du darin siehst.“ So lautet frei übersetzt ein Zitat des amerikanischen Horseman Buck Brannaman. Pferde sind in der Lage, das Beste in uns hervorzubringen – genauso gut bringen sie aber auch unsere Schwächen und weniger positiven Eigenschaften zum Vorschein. Jeder hat sie, keine Sorge. Wenn wir in der Lage sind, uns zu reflektieren, dann verstehen wir, dass das Pferd uns den Spiegel vorhält. Und sein Verhalten wahrscheinlich etwas damit zu tun hat, dass etwas mit uns, unserer Hilfengebung oder sogar unserer Einstellung noch verbesserungswürdig ist. Suchen wir die Fehler also nicht automatisch beim Pferd, sondern zuerst bei uns, dann sind wir auf dem Weg unserem Pferd ein echter Partner zu werden.

Mehr zum Thema „Selbstreflexion“ findest du in diesem Beitrag: Selbstreflexion – Auf dem Weg zu einer losgelassenen inneren Haltung

5. Flexibilität

Einen Plan und einen Fokus zu haben ist gut. Stur daran festzuhalten, auch wenn er offensichtlich nicht funktioniert, weniger. Pferde lehren uns, dass es wichtig ist, eine gewisse Flexibilität zu besitzen. Das muss nicht bedeuten, die ursprünglichen Ziele aufzugeben, sondern kann schlicht die Bereitschaft sein, eben den einen oder anderen Umweg dorthin in Kauf zu nehmen.
Verbissenheit und Pferde – das ist keine gute Kombination. Wenn wir uns dagegen anpassungsfähig (aber nicht beliebig!) zeigen, nicht immer auf unser Recht pochen und dem Pferd Mitspracherecht einräumen, können wir unsere Beziehung zum Pferd auf die nächste Stufe heben.


Blog-Beitrag von Nadja Müller

 
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